Die Familie Yamazaki hat wirklich große Probleme.
Die Tochter arbeitet als Prostituierte, der Sohn ist in der Schule ständig Opfer von Mobbingattacken und lässt seinen Frust daheim in einem Hygienefimmel und an der heroinsüchtigen Mutter aus, die ebenfalls im Rotlichtmilieu arbeitet. Der Vater ist seit einer Vergewaltigung während einer Reportage auch nicht mehr ganz bei sinnen und schläft im Wunsch das Elend seiner Familie zu dokumentieren auch schon mal mit seiner Tochter oder filmt seinen Sohn während dieser gedemütigt wird.
Doch mitten in diese Verhältnisse platz plötzlich ein Fremder und schlägt nicht nur den Vater nieder, sonder quartiert sich auch gleich bei der Familie ein, was zu einschneidenden Veränderungen in deren Verhältnissen führt.
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2001 scheint für Japans derzeit wohl umstrittensten Regisseur Takashi Miike wohl das Jahr des Familienfilms gewesen zu sein.
Drehte er mit "The Happiness of the Katakuris" bereits ein Remake eines koreanischen Horrofilms, so folgte mit "Visitor Q" als 6ten Beitrag zur "LoveCinema" Reihe ein weiterer Film über Familienzusammenhalt, diesmal inspiriert vom 1968er "Teorema" des nicht minder umstrittenen Pier Paolo Pasolini.
Aber widmen wir uns lieber dem Film selber.
"Visitor Q" macht uns mit einer japanischen Familie bekannt, in der nun wirklich so ziemlich gar nichts mehr stimmt. Sämtliche großen sozialen Probleme Japans scheinen hier in einen einzigen Haushalt komprimiert zu sein, angefangen beim Mobbing (Ijime) über Schulmädchenprostitution (Enjokōsai) bis hin zu Drogenmissbrauch, häusliche Gewalt und sogar Inzest.
In diese völlig zerrüttete Familie platz nun ein ungeladener Gast, der Visitor Q.
Auf einem Bahnhof schlägt er den Vater mit einem Stein nieder und quartiert sich daraufhin bei der Familie ein und beginnt sich jedes der Familienmitglieder einzeln vorzunehmen.
Seine "Therapie" verfolgt dabei mitunter recht bizarre Wege, die die Situation nicht unbedingt zu verbessern, sondern die Familie eher noch weiter in den Abgrund zu steuern. Doch um so abartiger und wahnwitziger die Ereignisse werden, um so enger scheint die Familie wieder zusammen zu wachsen.
So extrem sind ihre Störungen, dass nur extreme Mittel sie wieder heilen können, scheint uns der Film sagen zu wollen. Es bedarf erst Mord, Leichenschändung und jeder Menge Kot und Muttermilch um diese Familie wieder zusammen zu kitten.
Am Ende gipfelt das ganze in einer Wiedervereinigung der Familie der sehr besonderen Art.
Zurück bleibt ein Zuschauer, sofern er denn überhaupt bis zu diesem Punkt durchgehalten hat, der sich verdutzt fragt was ihn da eigentlich gerade für gute 80 Minuten überrollt hat.
Darf so was ein?
Kann man das noch Film nennen?
Kann sich dieser Miike denn so was einfach so rausnehmen?
So etwas zu fabrizieren, so etwas ekliges, so etwas unanständiges, so etwas Unfassbares...
Was soll man nur dazu sagen, davon halten?
Also ich für meinen Teil halte "Visitor Q" für eines der absoluten Highlights in Miikes laaanger Filmographie und für einen wirklich tollen Film.
Klar, er bricht Tabus und überschreitet damit die Schmerzgrenze so manches Zuschauers um ein vielfaches.
Zu Recht hat er dafür einiges an Prügel einstecken müssen und zu Recht werden ihn deshalb viele meiden.
Doch für die die mit Provokation und Tabubruch im Kino schon immer gut Leben konnten, sogar auf der Suche danach sind, für die bietet Miike hier ein Werk das beides bedienen kann, sowohl die niederen Triebe nach einer runde ordentlicher Freakshow, als auch Stoff zum im nachhinein drüber reflektieren.
Denn auch wenn man den Ekelszenen durchaus eine gewisse Plakativität vorwerfen kann, dass sich Miike bei der Geschichte nichts gedacht hätte kann man kaum behaupten.
Die Sozialkritik mag mit dem Holzhammer sein, aber sie bestimmt doch die Handlung und das Geheimnis um den namenlosen Visitor Q, der die Familie wieder zusammen führt, bietet Stoff für breite Diskussionen, angefangen von göttlicher Intervention bis hin zu Synonym für eine fehlende Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme die der Film anspricht. Der Besucher ist und bleibt namenlos, weil man eben nicht weiß was die Lösung für die Probleme ist.
Aber das ist alles nur persönliche Interpretation. Ohne sie bleibt von "Visitor Q" nicht mehr als ein Ekelfilm. Ohne den Willen sich mit ihm auseinanderzusetzen kann der Film gar nicht wirklich gefallen.
So bleibt es wohl Fakt das "Visitor Q" mehr als einfach nur Streitbar ist und auch in Zukunft Gemüter und Filmfans spalten wird, wie nur wenige Skandalfilme das können.
Die meisten werden von ihm Abstand nehmen, eine Hand voll unverdrossener wird in als visionäres, grenzenloses Meisterwerk loben und dazwischen wird es wenig Graustufen geben.
Empfehlen möchte ich ihn deshalb doch lieber niemanden, auch wenn ich in ganz persönlich für sehr gelungen halte.
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