Japan, in der Zeit der Edo-Periode.
Der Betreiber einer Herberge scheint großes Glück zu haben, als er einen äußerst wohlhabenden Reisenden dazu bewegen kann bei ihm zu nächtigen. Der weil plagt sich ein eher glückloser ‚Vater mit seinem vorlauten Sohn herum und ein anderer Herbergsvater wird von einem Gast der sich als Pleitegeier entpuppt mit einem besonderen Gemälde entschädigt, das die Aufmerksamkeit der gesamten Stadt auf seinen kleines Hotel lenkt.
Während ein Mann seine Frau betrügt und miterleben muss wie sie und seine Geliebte sich anschließend gegenseitig in den Tod treiben, würde einige andere Männer wohl gern dasselbe tun, doch sitzen sie nur gelangweilt in den leeren Räumen eines Bordells herum und warten auf eine Freudendame die nicht auftauchen will.
Da hat der Sohn eines reichen Kaufmannes mehr Glück, der von seinem Vater unter dem Vorwand eines Tempelbesuchs ohne sein Wissen und ohne sein Wollen ebenfalls ins Bordell geschickt wird.
Und während ein armer Händler einen Pakt mit dem Tod schließt um Arzt zu werden, findet ein weiterer eine prall gefüllte Brieftasche, die er sofort zu seiner Frau bringt, nur um kurz darauf erkennen zu müssen das er das alles wohl nur geträumt hat.
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Mit "Fallen Words" greift Yoshihiro Tatsumi, einst einer der einflussreichsten Mangakas der Gekiga-Bewegung, die traditionelle japanische Unterhaltungsform des Rakugo (übersetzt so viel wie "herabgefallene Worte") auf und versucht diese mündliche Vortragsform in gezeichnete Bildgeschichten zu übersetzen.
Dabei zeichnet sich das Rakugo vor allem durch zwei Elemente aus, einmal die Geschichte, die von einer unerwarteten Wendung abgeschlossen wird, und mehr noch durch die spezielle Art des Vortragens, bei der der Erzähler (der entweder in Mitten seiner Zuschauer, oder auch etwas erhöht auf einem Podest sitzt/steht) mit Mimik, Gestik und Sprechweise das Publikum amüsiert.
Eine Kunst die so stark vom verbalen Ausdruck lebt in stumme Bildgeschichten zu übertragen ist dann auch sicherlich nicht gerade einfach und so ist es dann wohl nicht verwunderlich das es das einzige Story-technische Merkmal des Rakugo ist, das einem auch in "Fallen Words" als erstes auffällt - das pointierte, überraschende Ende der Geschichten.
Selbige erzählen dabei durchgängig aus dem Leben der einfachen (Samurai-)Bevölkerung während der Edo-Periode (17/18 Jh.) und beruhen auf klassischen Stücken des Rakugo. (ein besonders beliebtes ist nach eigener Aussage Tatsumis z. B. das über die beiden eifersüchtigen Frauen, die sich selbst nach dem Tod noch weiter bekriegen)
Auffällig oft geht es dabei um Männer die Sex suchen (meist bei Prostituierten) oder Männern die arm sind und denen plötzlicher Reichtum oder zumindest ein gewisser Geldsegen ins Haus flattert und bei deinen Varianten natürlich vor allem darum welche Konsequenzen das Ganze mit sich bringt.
Das charakteristischste Stilmittel dabei ist, wie schon gesagt, das sich die Geschichte erst über eine gewisse Zeit recht normal entwickelt, bis sie unvermittelt mit einer überraschenden Pointe abbricht. Diese Pointe (im jap. Ochi genannt) ist quasi das Herzstück der ganzen Erzählung und die gesamte Vorgeschichte, wenn auch selbst durchaus unterhaltsam, nur eine langes Vorspiel für den finalen Gag. Ein Aufbau der sich durchaus auch im "westlichen" Humor ganz ähnlich finden lässt.
Doch zurück zum Manga, wie schon angedeutet ist es dieser ungewöhnliche Aufbau der Geschichten der "Fallen Words" besonders auszeichnet und Tatsumis Kurzgeschichtensammlung zum interessanten Lesestück macht, wobei es allerdings natürlich stark davon abhängt ob man mit dieser speziellen Art des Humors auch etwas anfangen kann.
Was nun die Übertragung des eigentlich Kernstücks des Rakugo, des besonderen verbalen Vortrags, angeht, so fehlt es mir um ehrlich zu sein ganz einfach an Erfahrung mit der ursprünglichen Kunstform um mir hier wirklich ein Urteil bilden zu können. Allerdings kann ich sehr wohl sagen das ich keinen maßgeblichen Unterschied zu Tatsumis sonstigem Zeichenstil erkennen konnte, als das ich sagen könnte da hat er sich also deutlich von gewohnten weg und zu einer zeichnerischen Version des Rakugo hin bewegt. Auch in Dingen wie Panel- oder Seitengestaltung fällt mir da nichts Besonderes auf.
Was lässt sich daraus nun schließen?
Hat es Tatsumi am ‚Ende nicht geschafft den besonderen Charme des mündlichen Vortrags adäquat in gezeichnete Bilder umzusetzen? Oder ist sein Stil als Mangaka vielleicht einfach schon von Haus aus dem Rakugo ähnlich?
Auch die Sache mit der unerwarteten, abschließenden Pointe konnte man in seinen frühere (Kurz-)Geschichten (wenn auch nicht so deutlich hervorgehoben wie hier) durchaus schon finden.
Viele offene Fragen, aber eins lässt sich auch darüber hinaus schon feststellen.
So oder so hat Tatsumi mit "Fallen Words" einen interessanten und unterhaltsamen Manga geschaffen, der durch seine ungewohnte Erzählstruktur aus der breiten Masse heraussticht.
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