Ein riesiges kugelförmiges Gebilde sinkt auf eine seltsame, wie ein Schachbrett gemusterte, Erde hernieder, beobachtet von einem jungen Mann mit einem kreuzartigen Waffe. In dem Gebilde erwacht ein junges Mädchen, das ein riesiges Ei bei sich hat und macht sich auf den Weg.
Sie durchwandert die düstere Welt und trifft in den Straßen einer verfallenen Stadt den jungen Mann mit der Kreuzwaffe wieder, der auf einer Art Panzerkarawane fährt. Er verfolgt sie von da an und langsam beginnt sich zwischen den beiden ein vertrautes Verhältnis zu entwickeln. Doch trotzdem will keiner dem anderen sagen wer er ist, wo er herkommt und was er vor hat.
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"Angel's Egg", die Zusammenarbeit der beiden Animegrößen Mamoru Oshii ( Ghost in the Shell, Twilight Q, Patlabor) und Yoshitaka Amano ( Lily C.A.T., Vampire Hunter D) entstand in einer der kreativsten Phasen der bisherigen Animegeschichte und steht ganz im Zeichen der großen und oftmals experimentellen Produktionen dieser Zeit, wie z.B. "Robot Carnival", "Twilight Q" oder "Manie Manie".
Wie die meisten dieser Filme entpuppt sich auch "Angel's Egg" als kaum greifbar, sondern sehr symbolisch und verschlüsselt. Die Geschichte um das ungleiche Gespann das durch eine düstere Verfallene Welt zieht ist gefüllt mit Anspielungen auf Religion und lässt sich interpretieren aber keinesfalls erklären. Eine wichtige Rolle scheint auf jeden Fall die biblische Geschichte der Sinnflut zu spielen, die explizit im Film erwähnt wird. In der Tat bietet sie auch gleich einen guten Ansatz, wenn man z.B. das Kugelgebilde als Arche nimmt und das Mädchen als Taube die zusammen mit dem Ei als Hoffnung losgeschickt wird um die Welt zu ergründen. Aber das ist nur einer von vielen möglichen Ansätzen. Im Endeffekt wird jeder sich seinen eigenen Reim auf das Ganze machen müssen.
Es gibt auch noch einige weitere Punkte. So ist das Mädchen zwar vom Körperbau sehr zierlich und jung, die weißen, strohigen, teil fast etwas "verwelkt" aussehenden Haare und die Augen mit den oft tiefen Ringen erscheinen aber oftmals eher wie von einer sehr alten Frau. Dazu kommt das die ganze düstere Umgebung wie Kriegsgebiet aussieht und z.B. die Panzerkolonne zu Beginn auch deutlich in diese Richtung referiert. Zum Kriegsopfer würde das aussehen des Mädchens gut passen. Vielleicht ist in dem Ei auch der Frieden, vielleicht ein Rest Menschlichkeit, den das Mädchen durch die kaputte Welt bringen muss damit er wieder erwachen (schlüpfen) kann. Vielleicht ist der Krieg die Flut?
Auch die mit Harpunen die Schatten von Fischen jagenden Menschen könnten dazu passen. Die ihre angestrebte Beute nie erlegen können, da sie nur auf deren Schatten zielen und mit ihren Harpunen nur immer mehr von ihrer Umgebung zerstören.
Genau diese großen Rätsel sind es die die eigentlich sehr ruhige Geschichte, in der rein vom greifbaren Inhalt her gesehen nicht wirklich viel geschieht, tatsächlich über eine Stunde lang hinweg spannend hält. Denn auch die gesamte Inszenierung ist sehr ruhig, legt keinerlei Wert auf Action, sondern schwelgt lieber in den düsteren und faszinierenden Bildern. Die Zeichnungen sind oftmals eher simpel aber effektiv. Auch an Farben wird viel gespart, die Bilder bleiben zumeist eher matt und verstärken damit die trostlose Wirkung der verfallenen Umgebung noch. Die Designs tragen deutlich die Handschrift Amanos, und besonders das Mädchen mit dem Ei erinnert auch sehr an einen Charakter aus Lily C.A.T.. Der ganze düstere Background hingegen ist wohl eher typisch für Oshii und seine Arbeit. Genau wie die zum teil fast schon übermäßig zelebrierten Animationen. Besonders zu Beginn gibt es eine längere Sequenz, in der eine aufwendige Animation an die andere gereiht wird. Von diversen Wasserspiegelungen, über sich in der Strömung bewegendem Seegras, bis zu den im Wind wehenden Haaren des Mädchens. Fast wirkt es als hätte man sich mal richtig ausgetobt und ordentlich herumexperimentiert, halt mal alles gemacht was man mal machen wollte, nur um zu sehen was dabei herauskommt, was man in den Filmen der damaligen Zeit ja durchaus öfters sehen kann.
Deutlichen Wiedererkennungswert hat auch die Sturzszene mit dem Mädchen am Ende, bei der sie auf ihr Spiegelbild im Wasser trifft. Eine sehr ähnliche Szene bekommt man unter anderem in "Ghost in the Shell" zu sehen. Diese Begegnung von "realem Ich" und Spiegelbild ist ein beliebtes Motiv von Oshii.
Abschließend lässt sich von meiner Seite aus festhalten, dass "Angel's Egg" wohl eher ein Film für Liebhaber ist, die sich an dieser Art von "offenen" Filmen erfreuen können. Der Film fordert viel von seinem Zuschauer und ist kaum als pure Unterhaltung geeignet. Dafür besticht er mit einer fesselnden Athmosphäre und surrealistischen Bildern, die oftmals über die eigene Fantasie hinausgehen und jedem, der bereit ist sich auf sie einzulassen, dabei helfen, eben diese zu erweitern. (und das ganz ohne Drogen ;P)
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